Dienstag, August 22, 2006

13.-21.08.06 Swinemünde/Polen bis Rostock


Noch ist es sehr schwachwindig und es lohnt nicht, für nur 18 sm die Segel zu lüften. Zum ersten Mal bei meinen zahlreichen Besuchen von Swinemünde brauchen wir nicht an der schrottigen und meistens sehr unruhigen Einklarierungspier festmachen. Der Beamte winkt uns durch. Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Diesmal laufen wir schnurstracks in den neuen Yachthafen. Der Hafenmeister ist eine Pfeife, im wahrsten Sinne des Wortes. Obgleich zig Liegeplätze vorhanden sind, zerrt er uns am Steg zurück, bis die Achterleine fast zur Spring wird. Angeblich braucht er viel Platz für abends zurückkehrende Regattaboote. Wir haben das "riesige" Regattafeld draußen vor der Küste gesehen, so etwa 15 Boote! Nichtsdestotrotz bläst er bei jedem einlaufenden Boot in seine Trillerpfeife, um es an einen ihm genehmeren LIegeplatz zu dirigieren. Erhören tut ihn zu unserer Freude nur ein Segler aus Ückermünde, alle anderen ignorieren ihn. Einer antwortet sogar auf einen Zuruf vom Steg, daß der Hafenmeister nach ihm pfeife, "ich höre grundsätzlich keine Pfeife und "diese Pfeife" schon gar nicht. DIE kenne ich schon länger."Die Wettervorhersage 5-6 Bft. zunehmend 7 und in der westlichen Ostsee sogar in Böen 8. Der sind wir ja schon ziemlich nahe und: ob die weiß, wo ihre Grenze verläuft? Also warten wir im schützenden Hafen ab. Mit uns wartet das ältere Ehepaar von der "Thetis", die wir vor Wochen schon in Leba trafen. Er bringt uns Fotos von der "Pirol" auslaufend Leba vorbei und berichtet von seinem vergeblichen Versuch, trotz Visum nach Königsberg zu gelangen. Wurden von den Russen stundenlang vor Pillau zum Abwarten gezwungen, weil gerade irgendein Manöver stattfand. So sind sie umgedreht, zurück nach Leba gefahren und haben dort 4 Wochen Sommerurlaub verbracht. Na toll! Irgendjemand hatte uns auf dieser Reise erzählt, "die Russen sind gar nicht mehr so schlimm"! In der netten Hafenkneipe gibt's abends ein Hafenkonzert. Super, mit verschiedenen Künstlern, von Sänger mit Gitarre über Shanty-Chor bis 7-köpfige Band. Gut, die kommen zum Schluß, denn mit ihren Verstärkern sind die für ältere Damen wie uns um ein paar Dezibel zu hoch, so daß wir uns den Rest draußen auf dem Vorplatz anhören. Wir liegen hier wie in Abraham's Schoß und auf der Ostsee kachelt es weiterhin. Am 3. Tag wollen wir aber endlich weiter und Kirsten fragt in Ückermünde im Peenestrom an, wie dort die Wetterlage ist. So um 3-4 Bft., ist die Auskunft und so entschließen wir uns durch das geschützte Binnengewässer - wenn auch mit Umwegen - der Heimat näher zu kommen. Diesmal müssen wir allerdings zum Ausklarieren wieder an unsere ungeliebte Pier, aber der Beamte kommt zum Boot und macht es kurz. Mit einigen Stettiner Regatta-Teilnehmern motoren wir danach durch die wunderschöne "Kaiserfahrt", am Ufer flankiert von zahlreichen Fischreihern, und zeigen uns im Stettiner Haff nochmal dem polnischen Grenzkontrollboot, dann hat uns Deutschland wieder. Allerdings empfängt uns das mit dickem Prasselregen und mehr Wind als versprochen. Aber der bleibt draußen vor der Ücker und im Stadthafen 1,5km flußaufwärts liegt man total ruhig. Ein kleines Problem für unsere Fender ist allerdings die hohle Kaimauer, sie sind zu dünn und so binden wir 3 zu einem dicken zusammen, um "Pirol's" Außenhaut zu schützen. Den nächsten Regenguß wettern wir unter dem schützenden Zeltdach von "Rosi's Fischimbiß" ab bei leckerem Backfisch mit Bratkartoffeln. 7 Uhr am Morgen geht's weiter zum 40 sm und 2 Klappbrücken entfernten Kröslin gegenüber von Peenemünde. Kein Hafenmeister - kein Liegegeld!Wagen uns durch die vielen Stellnetze im Haff, die bis zu 300 m lang sind und fast bis zur Oberfläche reichen. Eine echte Herausforderung, die volle Konzentration braucht. Die Brückenöffnungszeit von Zecherin hat sich geändert, sehen wir eine Meile entfernt. Sie ist geöffnet. Also "put the Hebel on the table" und auf einen netten Brückenwärter hoffen. Er ist nett. So sollten wir auch die frühere Wolgaster Brückenöffnung schaffen. Das teilweise enge Fahrwasser bereitet immer wieder Herzklopfen, wenn das Lot am Fahrwasserrand unter 2 m fällt. Etwas schneller klopft es auch, als plötzlich ein Schlauchboot der Grenzpolizei auf uns zuhält. "Nein, wir haben in Ückermünde nicht einklariert! Vergessen!" Na gut oder eher nicht gut! Nach strengem Blick dürfen wir weiter nach Kröslin laufen. Schöner großzügiger Hafen mit bequemen breiten Boxen, Waschmaschinen, Trocknern und sauberen Sanitäranlagen. Wir nutzen alles, unsere Schmutzwäsche-Tasche quillt inzwischen fast über. Nach einem Blick auf die Angebotstafel des exklusiven Hafen-Italieners essen wir Spaghetti mit Tomatensoße und Schinken an Bord aus unseren Beständen: 0 ? statt 7,50 ? und das obendrein noch ohne Schinken. Tanken am nächsten Morgen können wir leider nicht aus Bordbeständen, der Liter Diesel kostet stolze 1,48 ? plus eine halbe Flasche Spüli, weil Kirsten den Tank bis zum Stehkragen füllt und ein kleiner Schmatz sich über die Entlüftung zu einem großen schillernden See ums Boot verteilt. "Was, nur 2 Frauen an Bord?" fragt der Tankwart, als kein Mann auftaucht, um ihm den Schlauch abzunehmen. "Gar keine Angst abends auf dem großen Boot ohne Mann?" Ne, höchstens vor Männern? Nicht, daß sie UNS klauen könnten! Unser Kuhfuß ist noch nicht verstaut!Null Wind, Sonne satt. Leider haben wir uns nicht nach den Öffnungszeiten der Ziegelgrabenbrücke in Stralsund erkundigt, weil wir im Hafen von Neuhof davor bleiben wollten. Nun haben wir uns umentschieden für Barhöft am nördlichen Ausgang des Strelasundes und sind 3 Stunden zu früh.Eine Stunde vor Barhöft, wo links und rechts vom engen Tonnenstrich die Möwen zu Fuß gehen, gönnen wir uns noch ein paar Meilen unter Genua. Aber das übt, die Tonnen vorn und hinten in Linie zu halten. Der Hafen ist rappelvoll, aber an der Tankstelle legt eine "Najad" ab und wir an, weil wir auf dem Weg nach Warnemünde sein wollen, bevor sie morgens öffnet. Noch bevor wir richtig fest sind, fallen angriffslustige Mückenschwärme aus der sumpfigen Umgebung über uns her. Sogar Kirsten wird attackiert, die neben mir sonst Ruhe hat. Das erste Mal auf dieser Reise kommt der gute Mückenspray "OFF" zum Einsatz und die Quälgeister biegen kurz vor dem Aufsetzen angewidert ab. Drinnen kommt unser Mückenvertilger an die Steckdose und bei der Kartenarbeit für morgen fallen halbtote Mücken reihenweise nieder. Gut so! Nur eine tote Mücke ist eine gute Mücke!Der nächste Tag fängt sehr schön an: kein Hafenmeister kassiert Liegegeld und der Wettergott beschert uns das beste Segelwetter der ganzen Reise. Südost um 3 Bft., Sonne, 25°C. Wir können 8 (!) Stunden am Stück "Blistern" bis Warnemünde. Da lohnt sich doch der Aufwand des Auspackens und wir werden auch immer schneller und besser. Das gesparte Liegegeld nehmen uns dann die "Strandräuber" vom Hafen "Hohe Düne" ab: 23? plus Wassergeld ab 20 l, plus Duschgeld, plus Fährticket zum Ort auf der anderen Warnowseite. So kommt man locker auf 30 ?.Kein Wunder, daß kaum Boote im Hafen liegen. Auch die Restaurantpreise sind heftig: Hering "Hausfrauenart" mit Bratkartoffeln 9,95?. Wenn nicht gerade ein Wolkenbruch niederginge, sollten wir wieder zum Nulltarif an Bord essen. Noch reichlich Konserven in der Backskiste.Eine Nacht hier reicht, morgen geht es weiter nach Rostock, um meinen Enkel für ca. 1 Woche aufzunehmen, bevor in Niedersachsen die Schulferien zu Ende gehen. In der Innenstadt in Rostock ist reges Treiben. Ein großer Kunsthandwerkermarkt um den großen Springbrunnen lädt nicht nur zum Schauen ein, Kirsten kann einem wunderschönen Porzellanclown nicht widerstehen. Mitten auf dem Platz spielt ein Pianist unter einem Sonnenschirm auf einem Flügel(!) und ein kleiner alter Mann mit Strohhut und einer Marionette auf der Schulter mit Händen und Füßen Quetsche und Trommel. Kirsten muß für einen Notartermin nach Mülheim und da ich für meinen Claas inzwischen etwas zum Zeitvertreib brauche, machen wir schon mal das Beiboot klar. Leider sagt der wegen plötzlich "null Bock mehr auf Segeln" einfach ab. Wir sind ganz schön sauer. Nicht nur, daß wir extra für ihn wegen eines durchgehenden IC-Zuges von Bremen nach hier in Rostock sind, auch seine Koje ist vorbereitet, Betten bezogen etc. Am meisten aber enttäuscht mich die Unzuverlässigkeit. Sehr traurig. Statt ihn also von der Bahn abzuholen, gönnen Kirsten und ich uns ein reichhaltiges Brunch im "Wittespeicher". Daraufhin müssen wir uns zu Fuß auf den längeren Marsch zum Bahnhof begeben, um Kirstens Fahrkarte zu kaufen. Man sollte doch aufhören, wenn es am besten schmeckt!Im Hafen sind wir schon wieder bekannt, wie ein bunter Hund. Der Hafenmeister kommt zum Kasieren mit "Schönen Abend, die Damen", obwohl nur ich an Deck zu sehen bin und 2 Dauerlieger von gegenüber kommen auf den wackligen Schwimmsteg, um zu erkunden, wieso nur 2 Frauen auf diesem Boot sind. Die Hafenpreise bewegen sich wieder in akzeptabler Höhe: 13? inkl. Wasser und Strom.Montag fährt Kirsten los und ich mache mich auf ins Internetcafé, um einen Bericht für die Homepage zu schreiben. Unser Bildschirm ist nach wie vor dunkel. Am Abend bekomme ich noch Besuch an Bord. Ein Vater organisiert eine Schnitzeljagd für seine Kinder und deren Freunde, die gerade ihre Schule gewechselt haben und bittet mich, mitzuspielen. Tu ich ja gerne und die Kinder sind eine halbe Stunde später ganz begeistert, als sie die "Pirol" gefunden haben und zur Schiffsbesichtigung noch eine große Dose "Haribo" on top kriegen. Sie kommen sogar nach dem Abendessen im Hafenrestaurant nochmal vorbei, um sich zu verabschieden.Den Dienstag verbummele ich in der Stadt und im Internetcafé und bestelle abends in der "KOGGE" am Hafen einen Tisch für morgen. Da ist nämlich mein Geburtstag.