Dienstag, Juli 11, 2006

02.07.-10.07.06 Liepaja bis Riga


Der finnische "Club der Seebären" ist weitergezogen nach Klaipeda, die anderen nach Danzig und Pavilosta und wir haben plötzlich die ganze Pier und den Duschcontainer für uns allein. Ich habe meinen alten Bekannten Igor angerufen, den ich vor ca. 11 Jahren hier mit der damals 4jährigen Enkelin Inga kennenlernte und seitdem in Briefkontakt geblieben bin, und er kommt mit der inzwischen 15jährigen jungen Dame und beide begleiten uns zu einem Rundgang durch das nicht besonders sehenswerte Liepaja ex Libau. Der große Markt mit Bergen von duftenden Erdbeeren und Kirschen und die alte prachtvoll restaurierte lutherische Kirche mit einer der weltgrößten Orgel sind allerdings einen Besuch wert. Dem Gros der lettischen Rentner geht es sehr schlecht, sagt Igor, der mit seiner Frau von ca. 300 Lats leben muß, das sind ca. 430 ?. 120 Lats kostet im Winter allein die Heizung in den schlecht isolierten Mietskasernen, dazu kommen Miete, Telefon, Fernsehen, Busfahrgeld etc. Wir bekommen einen kleinen Eindruck von seinem Leben, als wir mit einem Taxi einige unserer Kleidersäcke und Koffer zu ihm nach Hause schaffen. Trostloser können wir es uns gar nicht vorstellen. Natürlich hofft Igor auf etwas finanzielle Unterstützung für sich und seine Inga, für die er alles tut und die bekommt er auch. Abends sind die "Tini" mit - seit Klaipeda - Einhandsegler Ben und auch die englische "Anneliese" mit Michael und Crew eingelaufen. Wir müssen noch überlegen, wen wir wo gesehen haben - wir aber sind inzwischen bekannt wie ein bunter Hund!Am 4.7. laufen wir zusammen mit "unseren" Engländern nach Pavilosta ex Paulshafen aus. Nach 2 Stunden Perkins holen wir den Blister raus. Auch wenn er zeitweise nicht mehr als 3,5 Knoten bringt: wir haben das Motoren satt! Die alte Holzpier vor dem Hafenhaus ist noch verrotteter als vor 6 Jahren, aber wir gehen trotzdem zwischen Fischkutter und Grenzschutzboot, da kann sich Michael ruhig beschweren, er habe extra für uns Platz gemacht an dem neuen Holzponton. Er sabbelt uns ein bißchen zuviel. Meine Freunde Haralds und Rita sind telefonisch nicht zu erreichen, so wandern wir zu ihrem Haus in der Kalnu Iela, um uns für morgen zum Kaffee anzumelden. Ich hätte es besser wissen müssen, natürlich müssen wir dableiben, bißchen essen, bißchen trinken und natürlich das Spiel Deutschland:Italien bei ihnen anschauen. Zum Kaffee morgen müssen wir natürlich trotzdem kommen. Haralds war bis vor einigen Jahren Hafenkapitän hier in Pavilosta und er läßt es sich nicht nehmen, uns nach der Verlängerung des Spiels zu seinem alten Arbeitsplatz zurückzubegleiten. Irgendwie muß es damit zu tun haben, daß bei uns kein Hafenmeister zum Kassieren vorbeischaut. Am nächsten Tag probieren wir unser altes Schlauchboot mit dem neuen Außenborder auf der "Saka" aus. Nachdem Kirsten neue Ventile ins schlappe Schlauchboot gedreht hat und wir die Gebrauchsanweisung des neuen Außenborders studiert haben: Idylle pur! Zwar gleiten wir durch dunkelbraunes Wasser, aber gesundheitsschädlich kann es nicht sein, zumindest nicht für Tiere. Es gibt reichlich Fische und ein Bauer führt sogar seine Schwarzbunte zur Tränke.Kirsten staunt am Nachmittag über die lettische Gastfreundschaft. Der Tisch biegt sich unter allem, was Küche, Keller und Garten so hergeben. Dazu gibt es "Hausmusik" von Haralds, er ist ein exzellenter Akkordeonspieler. Eigentlich wollten wir mit Kleidung und einem "Samsonite" Haralds und Rita erfreuen. Tun wir wohl auch, aber wir gehen mit dem Gefühl an Bord, noch reichlicher von ihnen beschenkt zu sein. "Riga's Balsam", "Laima"-Schokolade, ein Hafenbuch mit Widmung, Salat und frische Zwiebeln aus dem wundervollen großen Garten, selbst gefangene und eingelegte leckere Sardinen ... Nichts können wir ablehnen. Und dann muß Kirsten noch ein großes Ehrenwort abgeben, daß wir auf dem Rückweg nicht an Pavilosta vorbeifahren. Demnächst soll es auf der anderen Saka-Seite einen neuen Superhafen für Yachten geben! Auch hier bin ich - wie in Liepaja - für abwarten. Nachdem wir nochmal beim Duschen den Kopf geschüttelt haben über die Deckenlampe, die nur am Kabel hängt und den Wasserhahn, der lose im Waschbecken am Schlauch befestigt ist, fahren wir weiter nach Ventspils. Sonne satt, 25°C im Schatten, leichtes Gekräusel, Perkins! Zum zweiten Mal kommt unser teures Stück, ein Bojenhaken von Niro-Petersen in Flensburg, zum Einsatz. Gar nicht so einfach das An- und Ablegen. Die Bojen liegen fast unsichtbar unter Wasser und ein Finne muß sogar mit dem Messer zwischen den Zähnen tauchen, um seine Schraube von einer Bojenleine zu befreien. Ein Tag und ein Rundgang durch Ventspils genügen uns, eine nette Hafenpromenade, ein hübsches Schloß und einige nette Kneipen in der Stadt, wir werden Windau ja auf dem Rückweg nochmal anlaufen. Abends kommt noch mal der männliche Crew-Teil der "Hanö" zu Besuch, nur ganz kurz, und bleibt ein paar Stunden. Wollte sich wohl mal die "Weiberwirtschaft" an Bord der "Pirol" ansehen. Er hat sich den Törn nach Riga auf seinem eigenen Kiel geschenkt und ist mit seiner Ina per Bahn nach Riga gefahren. Wir nicht, machen uns am 7. am späten Vormittag auf den Weg. Bis auf "kaum Wind" und den von vorn eine Super-Reise. Warm, glutroter Sonnenuntergang, fast Vollmond. Einem kurzen Ausflug mit Kreuzen in die Schiffahrtslinie setzt ein Frachter ein Ende: "You are on a dangerous course". Also 25 Stunden motoren bis Riga. Nicht nur uns geht es langsam auf den Keks, aber trotzdem kann ich Kirsten nicht zustimmen, die mal einen "richtigen Sturm" erleben will. Mir reicht noch der von Wladyslawowo in Polen.Auch der "Andrejosta"-Hafen in Riga hat sich gemausert, Schwimmstege und viele Bojen. Mein Freund, der Hafenmeister Arnis ist schon zur Stelle und freut sich, uns begrüßen zu können. Er hatte ja schon vom Clubkollegen Jürgen gehört, daß wir im Anmarsch sind. Bevor wir uns auf's Ohr legen, kommen erst nochmal 2 Maschinen Wäsche auf die Leine. Es ist so heiß, daß wir das erste Teil schon wieder abnehmen können, nachdem wir das letzte aufgehängt haben.Der nächste Tag vergeht mit Ausschlafen bis 10°°! Haben wohl etwas nachzuholen. Dann Rotwein und Häppchen auf der "Anneliese", die inzwischen auch eingetroffen ist und hier Crewwechsel machen will, Stadtbummel mit Besuch der prachtvollen russischen Kathedrale, Rikscha-Fahrradtour durch die Altstadt, kleine Erholungspause von nichts auf dem Domplatz mit live-Dixieland-Musik und Rückweg über die Elisabethstraße mit ihren herrlich restaurierten Jugendstilfassaden. Das Leben kann wirklich schön sein. Abends Blitz und Donner und Platzregen, aber am nächsten Morgen strahlt "Klärchen" schon fast wieder zu doll.Wir haben uns überlegt, evtl. über Gotland zurückzufahren, aber da fehlen uns ein paar Seekarten. Die zu besorgen ist trotz Wegbeschreibung von "meinem" Arnis mal wieder mit Hindernissen versehen. Aber besonders Kirsten gibt ja nicht auf. Wir kommen mit dem Bus und ohne Taxi dorthin und kriegen auch, was wir wollen. Anschließend noch Einkauf bei "Rimi", der scheinbar jetzt sehr verbreiteten neuen Supermarktkette in Lettland und der Nachmittag wird verbummelt. Riesiger Markt bei den Zeppelin-Hangars hinterm Hauptbahnhof, Rast auf dem Domplatz und Essen im "Put vejns", das ich noch von früher kenne. Wir sind begeistert von dieser Stadt mit all ihren Facetten, Sänger und Musikanten, Bettler und Businessleute, Rikscha-Fahrer und Touristen aus aller Herren Länder, es ist einfach toll. Wir bleiben noch ein bißchen.