Sonntag, August 05, 2007

23.07.-04.08.07 Kolberg/Polen bis Lohme auf Rügen


Am Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Der Wind hat etwas nachgelassen und wir spazieren im Sonnenschein zur Mole, am gut besuchten Strand entlang und durch den Park zurück zur Innenstadt. Dort stärken wir uns in einem der vielen Straßencafés mit einem "Gofry", einer frisch gebackenen Waffel mit viel Sahne und Erdbeersoße. Wie "Hot dog" für "Außerpolnische" eigentlich nur unter der Dusche zu essen. "Frida" simst noch aus Leba, aber morgen ... Abends in der "Taverna" im "Fort Schill"
wundern wir uns etwas, daß heute keine Musik aus den Lautsprechern dröhnt oder eine Band live spielt. Den Grund erfahren wir erst am nächsten Morgen von Wojtek, "ein polnischer Reisebus ist in Frankreich verunglückt mit über 20 Toten" und der Präsident hat für 3 Tage jede öffentliche Musikveranstaltung untersagt. Davon sind auch die "Rolling Stones" betroffen, die ihr Konzert in Polen dann aber um eine Minute nach Mitternacht nach Ablauf der Staatstrauer starten wollen.
SY "Frida" ist unterwegs und läuft wahrhaftig abends um halb neun nach 75 sm am Stück mit ziemlich geschaffter Crew ein. Wir sind ganz gerührt, daß sie sich das für ein nur kurzes Wiedersehen angetan haben, denn immerhin ist Onerva schon 76 und Erkki 75 Jahre alt. Aber ein heißes Süppchen und belegte Brote mit einem Glas Wein beleben sie soweit, daß sie noch fast bis Mitternacht durchhalten. Erkki spricht leider nur Finnisch, aber Onerva als ehemalige Hotelfachfrau spricht mehrere Sprachen und dolmetscht
fast synchron.
Der nächste Tag bringt wieder Wind ohne Ende, sogar im geschützten Hafen geht das Windmeßgerät rauf bis Stärke 8 Bft. Die Touristenboote drehen ihre Runde nur im Kanal und Innenhafen und gehen selbst da so zur Kehr, daß man schon vom Zusehen seekrank werden könnte. Ein deutsches Motorboot fährt den Touristen zuwinkend Richtung Meer, wir stehen staunend mit offenem Mund. Draußen steigt ihre Nase 45° die Wellenberge rauf und 45° wieder runter. Irgendwann in einem Wellental schaffen sie es dann, das
Boot umzudrehen und ohne Umzukippen oder auf die Klippen zu donnern wieder schaukelnd und stampfend einzulaufen. Diesmal kein Winken zum Ufer!
Endlich hat der Wind morgens soweit abgenommen, daß wir uns auf den Weg nach Dzwinow machen können, 32 sm motoren gegenan, "Frida" hat's besser, 55 sm nach Bornholm unter Segel. Könnten unterwegs den wohl 3. abgetriebenen Wasserball einfangen, aber mangels "Abnehmer" lassen wir ihm die Freiheit. Der Fischereihafen in Dzwinow ist voll, die Marina Golmax gegenüber auch, so nehmen wir den Tipp des Grenzpolizisten an und gehen durch die Zugbrücke an die Stadtpier, wo die zahlreichen Angler nur widerwillig
ihren Stammplatz räumen. Sind auch gar nicht traurig über diese Entscheidung, denn im letzten Jahr lagen wir im stinkenden Fischereihafen am ausgemusterten Kontrollboot ohne Möglichkeit, ein Stromkabel anzuschließen. Strom gibt's hier wenigstens, dafür keine Duschen und nur ein nicht gerade einladendes Container-Klo. Ein polnischer Nachbarlieger läßt uns keine Ruhe, bis wir abends auf ein Bier und mehrere Wodka an Bord kommen. Die brauchen wir auch, um eine Unterhaltung polnisch/deutsch/englisch
in Gang zu halten. Aber eine nette, lustige Truppe. Zum ersten Mal kommt unsere Mückenabwehr "Off" zum Einsatz, angriffslustige Schwärme fallen vom gegenüberliegenden Sumpfgelände ein, und das grobmaschige Mückennetz vor dem Kajüteinstieg unserer Polen würde höchstens Fledermäuse abhalten. Der Wetterbericht verspricht uns wieder mehrere Hafentage, eine Sturmwarnung jagt die andere. Dziwnow ist reine Touristenmeile mit dem angeblich schönsten Strand der polnischen Ostsee-Strände. Fastfoodläden, Spielautomaten,
Kart- und Fahrradverleiher, Eis- und Gofrybuden, Räucherfisch- und Schaschlikstände reihen sich aneinander. Wir aktivieren unsere Bordfahrräder und fahren zum Kapitanat, um evtl. einen Schlüssel für die Duschen im 3 km entfernten Fischereihafen zu bekommen. Den bekommen wir nicht, nur den Rat, beim uns gegenüberliegenden Campingplatz zu fragen. Aber wir haben schlafende Hunde geweckt, zwei Tage später fällt denen ein, daß man ja auch bei der Stadtpier vielleicht Liegegeld einkassieren kann. Na gut,
wir können für 5 zl beim Campingplatz duschen. Abends steckt eine Visitenkarte von der Bonnie-Crew hinter unserem Schott. Unser Clubkamerad Fritz mit Sohn und Freund liegen mit ihrem Motorboot in der privaten Marina Golmax. Da wir von einem Fahrradabstecher dieses Mückennest kennen, laden wir sie auf die "Pirol" ein. Ein ganz schön langer Weg, für den Rückweg denken sie über ein Taxi nach. Die Hafentage summieren sich mal wieder, SW-Wind sogar hier drinnen bis 8 Bft.. Erst nach einer Woche kommen
wir los, nachdem wir noch eine Nacht in die Marina Golmax verholt haben, um morgens früher nach Rügen starten zu können. Trauen nicht den Hafenhandbuch-Angaben, daß die Brücke auf Anruf auch schon morgens um 4 Uhr öffnen wird für uns. Der kleine Privathafen hat Atmosphäre, aber eben auch Millionen Mücken, so verbringen wir die letzte Nacht unter dem Schutz von Moskitonetzen und mückenvernichtendem Duftöl. Die Spinnen überall an Bord tun ja auch ihr möglichstes, aber denen habe ich ja auch - wenn
auch ziemlich erfolglos - inzwischen den Kampf angesagt.
Morgens um 5 Uhr rufen wir die Port-Kontrolle von Dziwnow. Keine Antwort. Auch gut, düsen wir eben vorbei. Aber da taucht doch noch ein Uniformierter auf und holt uns an die Pier. Ist dann aber eine problemlose Abfertigung und: wir haben den absolut richtigen Tag gewählt: 11 Stunden segeln wir mit ausgebaumter Genua und Großsegel nach Rügen. Da ich den ausgewählten Hafen Lohme an der Nordküste von Rügen noch nicht kenne, rufen wir über Handy den Hafenmeister, um nach der Breite der Boxen zu fragen.
Schließlich sind wir nicht so ganz schlank. Ich fange also mit dem Satz an: Wir wollen mit unserem Schiff gerne nach Lohme kommen ...". Weiter komme ich nicht, die schlagfertige Antwort kommt postwendend: "Na, dann kommse doch!"
Ist so ein lustiger Typ, stellen wir dann später im Hafen fest. Idyllischer kleiner Hafen, 221 Treppenstufen unter dem Dorf, das aus vielen Restaurants, Hotels und einer Räucherei besteht. Gefällt uns gut. Ein gepflegter historischer Kutter bietet Fahrten zu den Kreidefelsen an, ein Fischer verkauft seinen frischgefangenen Dorsch am Steg und es gibt einen kleinen Imbiß mit leckeren Kleinigkeiten und Getränken. Also machen uns die drei Hafentage, die wir hier verbringen wollen, weil erst dann eine
uns genehme Windrichtung zu erwarten ist, nichts aus. Wir sind ja gut im Zeitplan. Haben bei NW 6 auch noch Logenplätze im Cockpit für interessante Anlegemanöver. Der nächste Hafen? Demnächst an dieser Stelle.