Mittwoch, August 01, 2007

13. - 22.07.07 Kristianopel/Schweden bis Kolberg/Polen


"Früher Vogel fängt den Wurm" oder "früher Kormoran den Fisch"! Scharen von "Fischers größtem Feind" tauchen morgens um 5 Uhr ob der unerwarteten Störung um diese Zeit empört aus den trüben Fluten des Hafenbeckens und fliegen zu anderen Fischgründen. Das frühe Aufstehen lohnt sich, ohne Wind und vor allem ohne heranrollende Wellen kommen wir bis in die Südlichen Schären. Bei grauem Himmel und etwas diesiger Sicht brauchen wir alle unsere GPS-Routenpunkte, um sicher durch den Tonnenstrich nach Karlskrona
zu kommen. Bekommen fast den gleichen Liegeplatz an der Pier wie vor 2 Wochen. Mittags setzt sich die Sonne durch und wir bummeln durch die inzwischen - da auch Schweden Ferien hat - von vielen Touristen bevölkerte Innenstadt. Wie im letzten Jahr stellen wir fest, die Schweden sind nicht vom Aussterben bedroht: 3 Kinder sind eher die Regel als die Ausnahme. Kirsten hat schlecht geschlafen, eine Zahnentzündung plagt sie seit Tagen, und so klappen ihr die Augen schon vor der Abfahrt mit dem Sightseeing-Bähnle
zu. Wir aktivieren die Salbe, die mir im letzten Jahr der deutsche Zahnarzt auf Gotland verordnete. Zurück im Hafen haben sich inzwischen eine Reihe uns vom Kalmarsund bekannte Boote eingefunden, die ihre Ziele im Norden gestrichen haben und auf Besserung in südlicher oder westlicher Richtung hoffen - wie wir. Der nächste Morgen bringt nicht den angekündigten Wind und wir geben viele Wegepunkte in unseren GPS ein, um weiter durch die Schären nach Karlshamn zu fahren. Vergeudete Zeit, denn 8 sm vorher
disponieren wir um nach Hanö, das unserem nächsten Ziel, Simrishamn, um etliche Meilen näher liegt. Um 5 Uhr nachmittags müssen wir schon ins Päckchen. Die "Nina", eine Hanse 34, läßt uns - ob unserer 16 t verständlicherweise etwas widerstrebend - längsseits gehen, aber sonst keine Chance. Abends zieht noch ein dickes Gewitter über unsere Köpfe hinweg und der wunderschöne Schärenkreuzer vor uns mit dem längsten Holzmast im Hafen installiert seinen Blitzableiter am Achterstag. Die Salbe hat noch keine
Besserung gebracht und so schluckt Kirsten wenig begeistert jetzt auch noch Penicillin-Kapseln. Dazu um Mitternacht noch eine Schmerz- und vorsichtshalber nach den Erfahrungen der letzten Nacht auch noch eine Schlaftablette. Danach könnte sie nicht mal eine Bombe wecken.
Der Morgen bringt Wind und Wellenberge aus südlicher Richtung und der Wetterbericht Hoffnung auf Ost/Südost für den nächsten Tag. Schönstes Wetter und wir bleiben. Kirsten schwankt noch wie eine Palme im Wind. Unser Nachbar will los, seine Frau nicht. Er setzt sich durch, was er wahrscheinlich bereut hat. Zwei deutsche Segler kommen entnervt von den anrollenden Wellenbergen nach einer halben Stunde zurück. Als Kirsten wieder einen Fuß vor den anderen setzen kann wandern wir über die Insel, mit kleiner
Stärkung, Kaffee und leckere Erdbeer-Sahne-Waffel, auf halbem Weg zum hoch auf dem Berg liegenden Leuchtturm. Abends ist der Hafen wieder proppevoll, Dreier-/Viererpäckchen nebeneinander und dann drückt sich auch noch ein Motorboot hinter uns in das letzte Loch. Paßt!
Wir haben uns richtig entschieden! Absoluter Blisterkurs nach Simrishamn, dazu Sonnenschein und T-Shirt-Temperaturen.
Unterwegs bekommen wir ein "schönes" Beispiel von der Koordination der dänischen und schwedischen Rettungskräfte. Ein deutscher Segler meldet über Kanal 16 ein in der Hanöbucht führungslos unter Autopilot fahrendes deutsches Segelboot und wird vom dänischen "Lyngby Radio" aufgenommen. Da unser Segler kein Englisch kann, wird dort erstmal ein deutsch sprechender Controller gesucht. Der nimmt alle Koordinaten auf, Position und Name des meldenden Seglers, Position des führungslosen, Bootsfarbenbeschreibung,
Kurs etc. Unser Melder beantwortet alles brav, doch dann kommt die Aufforderung, er solle den Fall doch der zuständigen "Sweden Rescue" über Kanal 16 melden. Auch das tut der brave Mann. "Sweden Rescue" spricht natürlich auch erstmal nur Englisch, dazwischen meldet sich ein holländischer Traditionssegler um evtl. zu übersetzen, aber auch bei Schweden Rescue findet sich noch ein deutschsprechender Mensch, um unseren armen Segler nochmal nach sämtlichen Einzelheiten zu befragen, inklusive der jetzigen
Position des führungslosen Bootes. Da unser Segler aber inzwischen eine halbe Stunde seinen Kurs weitergefahren ist, der nicht der gleiche des anderen ist, kann er das natürlich nicht beantworten. Anstatt nun "Lyngby Radio" zu kontakten, das ja alle Angaben eine halbe Stunde zuvor aufgenommen hat und mit denen dann die ungefähre Position berechnet werden könnte, muß unser Segler noch seine Handynummer für weitere Fragen durchgeben. Und nicht das Geringste ist in der ganzen Zeit zur Rettung eines
evtl. über Bord gegangenen oder hilflos im Schiff liegenden Seglers in die Wege geleitet worden. Ob unser pflichtbewußter Segler wohl jemals wieder eine treibende Yacht o.ä. meldet?
Wir bekommen eine Meldung erfreulicherer Art. Finnische Omega-Freunde aus meinem vorigen Segler-Leben simsen, daß sie auch auf dem Weg nach Simrishamn sind. In 14 Stunden haken sie die fast 100 sm von Kolberg nach Simrishamn mit ihrer schnellen Omega 42 "Atalanta" ab. Ein fröhliches Wiedersehen mit Kaiju und Eero nach vielen Jahren, in denen wir nur in Postkarten- und e-mail-Kontakt waren. Aus der gleichen Zeit stammt eine andere finnische Segel-Freundschaft mit der SY "Frida", und - kaum zu glauben,
was für Zufälle es gibt - Onerva und Erkki simsen kaum 5 Minuten später, daß sie in Danzig liegen und über die polnische Küste und Bornholm zurück nach Finnland wollen. Vielleicht bekommen wir auch die noch zu sehen, denn der Wind bläst günstig für Bornholm und damit auch für Kolberg. Also, Ystad im Westen gestrichen, auf geht's nach Allinge auf Bornholm, wo wir im letzten Jahr wegen Sturm ein paar Tage gefangen lagen. Bester Segelwind, wunderbar, aber darüber darf man nicht das Ausgucken vergessen.
Nördlich Bornholm ist eine vielbefahrene Schiffahrtsstraße, einmal müssen wir sogar beidrehen, weil ein Schlepper mit "Anhänger" und dazu gleich noch 2 nachfolgende Frachter auf Kollisionskurs liegen und mit denen wollen wir ein Kräftemessen lieber vermeiden. Wie auf Anholt machen viele Segler Langzeiturlaub in den Bornholmer Häfen. Schon mittags haben wir ein Liegeplatzproblem und enden im Vorhafen als drittes Schiff an einer Riesen-Motoryacht mit gräßlichen arroganten Typen und hübschen jungen
Mädchen. "Geld macht sexy"! Uns egal, am nächsten Morgen geht es weiter nach Nexö, wo uns direkt noch ein Pierplatz zum Anlehnen einlädt. Dafür bekommen wir aber kurz darauf zwei Schiffe längsseits, die unsere für morgen geplante Abfahrtszeit um 5 Uhr nicht abschreckt. Der Holländer will ohnehin auch um die Zeit weiter nach Rügen und die auf der deutschen "Carpe diem" freuen sich auf den Pierplatz, weil die Familie hier länger zubringen will. Alle sind also bereit und bei spiegelglattem Wasser motoren
wir von 12 Stunden 10 zur polnischen Küste. Wenigstens die letzten 2 Stunden gönnt Rasmus uns noch eine leichte Brise. "Atalanta" simste schon vorgestern aus dem Kalmarsund und Hossi macht sich mit Jürgens "Meteorologen-Segen" auf den Rückweg von den Azoren. Wir werden in Kolberg von unseren Freunden, dem Hafenbetreiber Wojtek, seiner Frau Jola und Tochter Wiktoria herzlich empfangen und gleich abends zum Konzert und Abendessen ins Hotel "Skanpol" eingeladen, wo Jola vor kurzem vom Rezeptions-Manager
auf einen Direktorenposten gehoben worden ist. Also genießen wir die Einladung ohne schlechtes Gewissen, das wird die Gehaltserhöhung sicher aushalten.
Wir versuchen, auf "Frida" zu warten, die es bis Leba inzwischen gebracht hat. Aber nach einem herrlichen Hafentag drohen jetzt wieder Windwarnungen in Sturmstärke und wir regnen langsam ein. Kann uns nicht mehr erschüttern, noch wird unser Terminplan nicht eng. Also warten wir's ab.