Mittwoch, Juni 25, 2008

16. - 25.06.08 Swinemünde bis Leba


In aller Frühe um 7 geht's los. Unsere Motorboot-Gegenüber sind auch schon auf und bestehen darauf, unsere Leinen loszuwerfen. "Haben Sie keine männliche Hilfe?" Trotz Regen harren Sie aus, bis wir Plotter und GPS im Cockpit installiert, das Schloß von der Rettungsinsel entfernt und die Fender eingeholt haben. Der Regen hört bald auf, aber null Wind, also wieder mal motoren, motoren, motoren. 10 lange Stunden, gräßlich. Nur das Spielen mit dem neuen Plotter ist da ein Highlight. Er überträgt die eingegebene Route auf den Autopiloten und der führt uns geradewegs bis zu den Kolberger Molenköpfen, von handgesteuerten kleinen Schlenkern um diverse Fischerbojen mal abgesehen. Die besten Plätze im Hafen sind natürlich belegt, aber der alte Bosman kennt uns von früher und hält noch eine passende Lücke bereit, in die Kirsten souverän wie in einen Schuhkarton einparkt. Einer der auffällig herzlich winkenden Segler aus Swinemünde steht abends vor der "Pirol": "Kennen Sie mich noch?" und wir müssen wieder mal antworten: "Ne, nicht wirklich!" "Sie haben mir in Riga das Leben gerettet, sonst hätte mich meine Bronchitis dahingerafft" grient er. Ach ja, der arme Kerl hatte keine Medikamente dabei und konnte in Lettland auch nichts wirksames bekommen, da hatten wir aus unserem Arzneikasten ausgeholfen. Daher also das besonders herzliche Winken. Wir vertreten uns die Füße nach dem langen Geschaukel und essen einen Happen in der Stadt. Deutschlands Rentner sind schon wieder zahlreich vertreten und die Sanatorien schießen wie Pilze aus dem Boden. Wojtek, unser Hafenbetreiber-Freund, kommt noch nachts mit seiner "ARK" aus Stettin zurück und am nächsten Abend besuchen uns er, Frau Jola, Tochter Wiktoria und deren Freundin Ada an Bord. Die Kinder untersuchen erstmal das Schiff. Ada war noch nie auf einem Boot. Kirsten amüsiert sich, "die haben wirklich jedes Schapp aufgemacht und dann sind sie beide im Klo verschwunden mit Tür zu!" Dabei kann sich da kaum eine Person umdrehen! Jola bedauert, daß wir schon am nächsten Tag wieder abfahren wollen, aber wir sind ja eh schon ziemlich spät dran.
Früh los kommen wir morgens dann allerdings nicht. Die "Pirol" sieht aus "wie Sau". Gegenüber lädt seit gestern ein Bagger Kohle auf einen Frachter und der Wind hat ein paar Pfund von dem Staub auf dem Schiff verteilt. Fluchend schrubben und spülen wir in 2 1/2 Stunden vom Segel bis zum Fender alles ab, dann noch einen Abschiedskaffee im Fort mit Wojtek und wir fahren ab, bevor der Wind aufkommt. Der Bagger baggert schon wieder im Kohlenberg!
33 sm bis Rügenwalde. Kurz verlockt uns der Wind, Segel zu setzen. Dann wieder Totenflaute. Also Großsegel dicht, Genua weg und "Perkins" anschmeißen. Gut, Kirsten setzt auch gleich den Kegel, der anzeigt, daß man mit Motor unter Segel fährt, denn die polnische Grenzpolizei, die nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ja vieler Aufgaben beraubt ist, kämpft um ihre Existenzberechtigung und nimmt mangels anderer Objekte unsere Verfolgung auf. Würden sicher gerne Strafgeld kassieren, aber so bleibt es bei den Fragen:"Woher, wohin, wieviele Personen an Bord?" und sie rauschen wieder ab. Unser Freund Hossi aus unserem ex-Segelclub simst auf dem Weg nach Norwegen aus dem Limfjord: "Saukalt, Wind gegenan, viele Seehunde!". Na, solange noch keine Eisbären in Sicht sind. Wir laufen passend zur Brückenöffnung in Rügenwalde ein. 6 Boote liegen schon da und warten auf die Gelegenheit, durch das riesige Schießgebiet zwischen Rügenwalde und Stolpmünde fahren zu können. Leider ist das nur nachts zwischen 2 und 5 Uhr möglich oder am Sonntag und Montag. Ansonsten ballern die Polen, was das Zeug hält und niemand will das Risiko eines Lochs im Segel oder noch Schlimmerem eingehen. Leider sind Sonn- und Montag noch Tage entfernt und toll liegen tut man an dieser Zementpier, an der man sich die Leinen durchscheuert, wenn man sie nicht schützt, nun auch nicht gerade. Da es um das Schießgebiet herum über 50 sm sind, bleibt uns nur die Nachtfahrt und wir gehen mit zwei anderen Booten, der "Flower" und "Shalom" um Mitternacht durch die Brücke. Wenig Wind und die Fahrt durch"s Schießgebiet wieder eine elende Schaukelei. Über UKW melden wir uns am frühen Morgen bei den anderen beiden nach Stolpmünde ab, die hoffen weiter auf Wind, um bis nach Leba zu kommen. Ne, besonders mir reicht es und Kirsten stimmt mir zu, erstmal an der Pier ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Den beendet dann eine Militärkapelle mit "Tschinderassabum". Mehrere Einheiten von Marinesoldaten werden mit großen Aufmarsch vereidigt und dazu haben sich zahlreiche Zuschauer eingefunden. Wir folgen "Flower" und "Shalom" nach Leba und können sogar segeln. Hurra! Leba's Einfahrt soll versandet sein, hörten wir schon und wahrhaftig, wir setzen kurz auf "Schreck laß' nach", aber dann alles ok. Der Wind hat ganz schön zugenommen, alle Wetterfrösche sind sich einig: WSW 5-6 Bft. für die nächsten Tage. Die deutsche "Wannabe", dessen Besitzer sich gestern bei uns noch nach Erfahrungen mit dem Aries-Windsteuer erkundigte und der einhand nach Helsinki will, und die schwedische"Hanse" laufen trotzdem aus. Die heranziehende schwarze Wand bringt heulenden Wind und prasselnden Regen und danach läuft die "Hanse" wieder ein. Ne, muß man sich wirklich nicht antun. Der Meinung ist auch unser Nachbar von der "Dinah". Ehemaliger Minensucherkommandant und man merkt, er ist nicht gewohnt, anderen zuzuhören. Redet uns in Grund und Boden, d.h. mehr mich, Kirsten verkrümelt sich schnellstens, wenn er an Deck erscheint. Dabei übersieht er die nächste schwarze Wolke, die sich über uns entlädt und da kann ich ins Schiff flüchten. Er nicht, versucht erfolglos mit seiner Frau die an Deck aufgehängte Wäsche zu retten, die an sich schon trocken war. Daraufhin bezahlen wir lieber auch noch die Trocknergebühren für unsere Wäsche, obgleich sie mit 5 Euro pro Füllung ganz schön zulangen.
Eigentlich wollten wir ja wie "Shalom", "Flower" und "Thor" nach Großendorf am Anfang der Halbinsel Hela laufen, aber die nächsten Tage sind nach allen Wetterberichten garantiert Hafentage und die verbringt man besser in Leba. Freund Hossi ist von allen Seiten im Limfjord eingeschlossen, Sturm und Starkwind in allen Seegebieten. Wir nehmen unsere Teakbänke aus dem Cockpit, die eines gründlichen Schrubbens mit Grüner Seife mal bedürfen und danach sind sie fast wie neu.
Ein Zweimast-Großsegler mit holländischer Flagge kommt rein. Die trauen sich was, wo der Hafen langsam versandet, trotz laufender Baggerei. Nur 3 Personen an Bord, aber der Skipper hat die Ruhe weg.
Der Sturm kommt am nächsten Tag. Wir wandern auf die Mole, die inzwischen eine Dünenlandschaft geworden ist. Der fliegende Sand hat den Zement zentimeterdick bedeckt. "Wat den eenen sin Uhl is' den annern sin Nachtigall", auf der anderen Molenseite nutzen Windsurfer-Cracks Wind und Wellen und freuen sich über die Superbedingen. Wir verstärken unsere Luvleinen und machen einen Stadtbummel. Durch die Verzögerung müssen wir auch mal wieder Geld tauschen. Schlechter Kurs: 1 Euro = 3,27 zl. Als "Trost" schiebt uns die Kantor-Angestellte noch ein paar Bonbons unterm Kassenfenster durch. Langsam befürchten noch mehr Segler, die weit nach Osten wollen, daß die Zeit knapp werden könnte. Die von der "Fortuna" wollen sogar nicht nur nach Danzig sondern auch noch nach Riga und weiter über Tallinn nach St.Petersburg. Da ist unser Ziel ohne Danzig und Riga mit Tallinn ja nicht hochgesteckt. Hossi hat Norwegen gecancelt und ist inzwischen im Limfjord umgekehrt!
Auch am Dienstag verlockt uns nichts zum Auflaufen. Es hat die ganze Nacht gestürmt, die Fallen haben geklappert und die Leinen grausam geknarrt. Bis 7 Bft. sogar im von hohen Bäumen umgebenen Hafen, aber Sonne und blauer Himmel mit durchstürmenden Wolken. Wir amüsieren uns unter unserer "Kuchenbude" und spielen Bridge an unseren PC's oder surfen im Internet, denn wir haben hier WAN, ein drahtloses Netzwerk kostenlos zur Verfügung. Abends gibt's frische grüne Bohnen und mitgebrachte deutsche Krakauer, was ja ein bißchen wie "Eulen nach Athen" tragen ist.
Am 25. morgens hat sich endlich der Sturm verzogen, aber draußen steht noch eine eklige Welle, so daß wir beschließen, auf einen Tag kommt es nicht mehr an. Gehen wir heute abend mal in der hafeneigenen Taverna Essen und gucken dort anschließend auf dem Großbildschirm das Spiel Deutschland:Türkei. Wird bestimmt ein Krimi. Erst morgen geht's weiter nach Wladyslawowo/Großendorf. Ob das geklappt hat, erfahrt Ihr dann im 3. Teil.