12.-23.07.08 Arensburg/Estland bis Kasnäs/Finnland
Arensburg schreibt sich ohne "h", und die gleichnamige Burg besuchen wir heute, nachdem wir wegen Schietwetter lange ausgeschlafen und ausgiebig unter unserem wunderbaren neuen "Cockpit-Zelt" gefrühstückt haben, während der Regen auf unser Dach prasselt. Die Burg beherbergt diverse, ganz interessante Ausstellungen u.a. über die heimische Tierwelt mit präparierten Braunbären, Elchen etc. und auch über die wechselvolle militärische Geschichte von Ösel, in der ja auch die Deutschen immer wieder eine
Rolle gespielt haben. Abends läuft die "Scedro" ein, ein Einhandsegler von der Westküste, den wir seit Leba immer mal wieder trafen. Er leiht uns sein Beiboot, damit ich unseren Bojenhaken richtig in die Öse einhängen kann. Beim etwas hektischen Anlegen hatte ich das falsche Loch erwischt und da hätte sich beim Ablegen der Haken leicht verkanten können. Wir bedanken uns mit einem der letzten deutschen Biere und erfahren wieder eine abenteuerliche ostpreußische Lebensgeschichte, die er bis zur Flucht
mit Mutter, Tante und Opa unter russischer Besatzung erlebt hat. Am nächsten Morgen hilft Kirsten Horst bei der Vorbereitung für den Einbau eines neuen Bowdenzuges. Oskar, der hiesige Hafenmeister, hat einen Maschinenbau-Ingenieur von der Werft aktiviert, der bis morgen ein passendes Ersatzteil besorgen will. Anschließend großer Hausputz mit Putzen, Wischen, Wassertank auffüllen und großer Wäsche. Leider schleudert die Waschmaschine nur mit 800 Umdrehungen und so trocknet der Trockner und trocknet
und trocknet bis finnische Segelfrauen darauf bestehen, daß sie auch mal dran sind und unsere Wäsche noch feucht rausnehmen. Nach einem Besuch auf der "Kia Ora", einer anderen Yacht von der Schlei, packt Kirsten nachts um 12 alles wieder in den Trockner und da trocknet und trocknet und trocknet sie bis zum nächsten Morgen. Als wir sie um 9 Uhr abholen ist sie noch warm - aber trocken. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist katastrophal und wir beschließen, Tallinn per Boot zu streichen. Stattdessen
lassen wir die "Pirol" hier im sicheren Hafen unter Oskar's und "Fortuna's" Obhut und fliegen für 50 € mit einem 18-sitzigen Propeller-Flugzeug für 2 Tage dorthin. Eine gute Entscheidung, Heiki Lubi, ein von Bärbel und Horst empfohlener deutschsprechender Stadtführer, holt uns morgens vom Flughafen ab und wir bekommen neben einem günstigen Hotel direkt in der Innenstadt eine super 4stündige lebendige Führung durch die wunderbare Altstadt von Tallinn/Reval mit all seinen vielen Sehenswürdigkeiten.
Auch wenn danach die Füße rund sind vom Wandern über das für Segelschuhe äußerst ungeeignete Kopfsteinpflaster, es geht von der Unterstadt in die Oberstadt und wieder zurück, es hat sich wirklich gelohnt und auch das Wetter hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Als wir am nächsten Morgen nochmal auf eigene Faust die besten Plätze ansehen wollen, hat Petrus es sich allerdings wieder anders überlegt: Es gießt in Strömen und Sturzbäche rauschen die Rinnsteine hinab. Wir hangeln uns von Souvenirshop
zu Souvenirshop und von Café zu Café und fliegen mit unserem "Cityhopper" am späten Nachmittag über den Wolken im Sonnenschein zurück nach Kuressaare/Arensburg. Neben uns liegen inzwischen Segler vom Hamburger Lufthansa-Club. Die Truppe zieht abends zuerst in einen Nachtclub und feiert dann bis morgens um 3 im Cockpit Party. Wir können uns das nicht leisten sondern stehen um 6 Uhr in der Früh auf für Virtsu, 45 sm entfernt auf dem estnischen Festland. Wie fast immer stimmt der Wetterbericht nur sehr
bedingt. Mehr Wind als angesagt und der schräg von achtern. Eine Stunde brauchen wir zum Ablegen, weil der Wind die "Pirol" immer wieder von der Heckboje wegdrückt und wir sie per Hand auch nicht zur Boje zurückziehen können. So bringen wir eine lange Leine nach Luv zum 10 m entfernten Nebenlieger, ein Partyfeierer schützt das Lufthansaboot mit einem Kugelfender vor uns und so hangeln wir uns Stück für Stück mit Motor- und Winschhilfe zurück, bis Haken und Leinen sicher gelöst werden können. Doch
die Anstrengung lohnt sich. 6 von 9 Stunden können wir segeln. Vor uns her zieht eine drohende schwarze Wand, die die "Fortuna" leider voll erwischt, die eine Stunde vor uns ausgelaufen ist. Dicke Böen und 3 Duschen stöhnt Bärbel, als wir im Schrotthafen Virtsu festmachen. Hafenliegegeld? 3 x dürft Ihr raten! Jawohl, 20 Euro! Ab jetzt muß die Navigation sehr sorgfältig gemacht werden, denn der Muhu-Sund ist ein tückisches Fahrwasser. Um 7.30 Uhr heißt es "nichts wie weg" hier und auf nach Dirhami
am finnischen Meerbusen. Die Fahrt durch die Schären ist gewöhnungsbedürftig. 20 m neben dem Boot nur noch 30 cm Tiefe nach 10 Meilen durch 14 m tiefes Wasser. Aber wir haben Glück mit dem Wind, ein schöner Segeltag mit nur wenigen Regengüssen und Windböen. Dirhami versöhnt uns fast mit den baltischen Häfen. 14 Euro Hafengeld und sehr schön gelegen. Wir bleiben 3 Tage und erkunden die Gegend mit dem Bord-Fahrrad. Am Strandkiosk serviert uns ein sehr gut Deutsch sprechender junger Este einen Kaffee.
Er studiert in Tallinn "Deutsche Philologie", sagt er. Was immer das auch ist?! Frage an Dich, Dieter? Jeden Abend füllt sich der Hafen. Holländer, Schweden, Deutsche, Finnen und ein Ami-Weltumsegler aus San-Francisco. Dirhami war unser östlichster Punkt mit dem Boot. Ab jetzt geht die Fahrt nur noch nach Westen. Mit uns laufen noch einige andere Boote am 21. 7. morgens um 6 in Richtung Hanko in Finnland. Laut Hafenhandbuch wird es ab frühem Nachmittag schwierig, noch eine freie Boje dort zu bekommen.
Wieder mal stimmt der Wetterbericht nicht, aber diesmal zu unseren Gunsten. Selbst mit einem Reff im Großsegel sausen wir mit zeitweise 7,5 kn der finnischen Küste entgegen. Viele Untiefentonnen machen die Einfahrt noch mal etwas aufregend, 40 m Wasser unterm Kiel und ein paar Meter weiter ragen die Rocks raus. Horst von der "Fortuna" winkt uns schon von weitem an eine freie Heckboje. Super! Einen Hafentag gönnen wir uns auch hier, schon um die im Hafengeld inbegriffene Sauna zu nutzen. Auch das
für uns etwas gewöhnungsbedürftig. Die Finninnen (Männer haben ihre eigene Sauna) kommen rein, hauen ein paar Kellen Wasser (ohne zu fragen) auf den Ofen und gehen nach 5 min. wieder raus und das wiederholt sich ein, zwei Mal. Duschen, Anziehen, weg sind sie. Da sind unsere Saunen doch mehr Erholung. Für die Weiterfahrt durch die finnischen Schären ist wieder sorgfältigste Kartenarbeit angesagt. Aber es ziehen sich die Boote wie Perlenketten durch die Fahrwasser und die sind zudem noch gut betonnt
und haben außerdem auch Richtbaken. So kommen wir ohne Probleme nach Kasnäs, außer "Fortuna" und "Pirol" keine weiteren deutschen Flaggen zu sehen. Nur noch ein Holländer, ein Norweger und ein paar Schweden. Der Hafen gefällt uns, hat Atmosphäre, aber allmählich müssen wir doch "ein Brikett mehr auflegen", der Weg nach Hause ist noch weit. Morgen gehts weiter nach Jurmo, weiter durch die Schären nach Westen.